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Entwicklungstrauma: Unterschied zwischen weiblichem und männlichem Narzissmus

Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung zeigt sich bei den Geschlechtern unterschiedlich. Grob gesagt zeichnet sich der weibliche Narzissmus durch Hilflosigkeit aus wohingegen der männliche Narzissmus die Grandiosität betont. Dabei scheint der weibliche Narzissmus schwieriger zu erkennen als der männliche, allerdings nur so lange wie einem die Verhaltensmuster nicht bekannt sind. In diesem Blogbeitrag werfe ich daher anhand der Geschichte von Samira das Licht auf das Verhalten weiblicher Narzisst:innen. Die Blog-Beiträge sind auf wahren Begebenheiten aufgebaut. Die Geschichten und Namen wurden verändert, um den Persönlichkeitsschutz zu wahren.


Samira - ein Leidensweg, der noch kein Ende gefunden hat

In der Beratung schildert Samira, wie ihre Mutter von klein auf immer wieder betont hat, wie viele Opfer sie für Samira erbringt, worauf sie alles verzichtet und welche Belastung Kinder doch bedeuten. Dies führte bei Samira zu Schuldgefühlen und sie meinte sie müsse für ihre Mutter da sein und ihr möglichst keine Probleme verursachen. Entsprechend hat Samira bereits als Kind ihr Verhalten angepasst und auf die Mutter Rücksicht genommen. Irritierend war für Samira als Kind zudem, dass sie erfahren musste, wie sich ihre Mutter in der Öffentlichkeit und gegenüber Aussenstehenden anders verhielt und anders auftrat als innerhalb der Familie. Samira schildert, wie ihre Mutter eine Scheinwelt aufrechterhalten hat. Nach aussen hat sie immer versucht, die perfekte Familie zu geben, nach innen herrschte die absolute Gefühlskälte. Samira erzählt, wie sie als Kind von ihrer Mutter an den Haaren gezogen wurde, damit sie schwieg, wenn die Mutter den Nachbarn eine Lüge auftischte. Für Samira ist daher klar, dass die Mutter sehr bewusst lügt, aber ob das bedeutet, dass sie sich selbst reflektieren kann ist ihr nicht klar. Sicher ist, dass die Mutter an Minderwertigkeits-komplexen leidet und andere manipuliert, um ihre Scheinwelt aufrecht erhalten zu können. Die Mutter will alles unter Kontrolle haben. Samira weiss, dass ihre Mutter selbst als Kind auf Geheiss ihrer Mutter vom Vater mit dem Gürtel geschlagen wurde. Die Mutter hat also selbst eine traumatisierende Kindheit durchlebte.


Heute bringt Samira zum Ausdruck, dass sie einen riesigen Frust empfindet, dass sie bis weit ins Erwachsenenalter nicht realisiert hat, wie sie von Ihrer Mutter manipuliert und missbraucht wurde. Dabei ist für sie das Schlimmste, dass es die Kernfamilie ist, die ihr das angetan hat und die Auswirkungen ihr ganzes Leben betreffen. Ihr Wunsch, eine vertrauensvolle Beziehung zu ihrer Mutter zu führen, kann nicht in Erfüllung gehen, ihre Mutter ist dazu schlicht nicht fähig. Samira hat sich daher zum Selbstschutz von ihrer Kernfamilie zurückgezogen. Der seelische Schmerz bleibt und sie fühlt sich isoliert. Denn nicht nur die vertrauensvolle Beziehung zur Kernfamilie ist für Samira nicht möglich, auch anderweitige vertrauensvolle Beziehungen schafft Samira bisher nicht. Zu sehr und zu früh wurde ihr Vertrauen in nahe Bezugspersonen tief erschüttert. Samira entwickelte einen sogenannt desorganisierten Bindungsstil. Darauf gehe ich in einem weiteren Blogbeitrag näher ein.


Narzissmus: Unter Narzissmus wird verstanden, dass sich das Interesse der betroffenen Person auf sich selbst richtet (Moore & Fine, 1967; zit. in Dammann, 2012, S. 17). Wie Dammann aufzeigt (2012), handelt es sich bei Narzissmus um ein Spektrum, welches sich zwischen normal, angebracht bis hin zu starker Persönlichkeitsstörung erstreckt (S. 17). Nach Wardetzki (2015) bedeutet Narzissmus einen basalen Mangel, «der das Leben einschränkt und liebevolle, tragende Beziehungen zum grossen Teil unmöglich macht» (S. 18). Jeder Mensch ist im Leben narzisstischen Kränkungen ausgesetzt, aber nur jener mit einer narzisstischen Störung verliert bei Kritik oder Ablehnung «seine Selbstliebe und seine Existenzberechtigung» (ebd.). Ein solcher Mensch reagiert daher mit grosser Verunsicherung und kann sein Selbstwertgefühl nicht aufrechterhalten (ebd.).


Im ICD-11 (BfArM, 2023) wird die narzisstische Persönlichkeitsstörung nicht mehr gesondert geführt, wie noch im ICD-10 (BfArM, 2021), sondern unter Dissozialität eingereiht (Freiraum psychologische Beratung, 2022). Darunter fallen Personen, welche die Rechte und Gefühle von anderen Menschen missachten, einen Mangel an Empathie zeigen und aggressiv sind (ebd.).


Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung reagieren anstatt mit Trauer mit Empörung, Wut und dem Bedürfnis nach Rache, wenn sie kritisiert, gekränkt oder verlassen werden (Wardetzki, 2015, S. 31). Sie sehen den anderen als Feind und wollen ihn darum verletzen und bestrafen (ebd.). Die Fähigkeit für eine konstruktive Auseinandersetzung mit Kritik fehlt dem narzisstischen Menschen (Wardetzki, 2015, S. 31). Eine adäquate und der Realität angepasste Verarbeitung von Enttäuschungen und Trauer ist nicht möglich (Wardetzki, 2015, S. 32). Dafür müsste die Fähigkeit vorhanden sein, Gefühle wahrnehmen und anerkennen zu können und gleichzeitig die Beziehung aufrecht zu erhalten (ebd.). Dies sind Fähigkeiten, die narzisstische Persönlichkeiten nicht mitbringen (ebd.). Durch die tief erfahrene Kränkung reagieren narzisstische Persönlichkeiten mit Liebesentzug und vermeiden damit ein Gefühl von traurig sein (Wardetzki, 2015, S. 32-33). Gleichzeitig gestehen sie ihrem Gegenüber nicht zu, ein eigenständiger Mensch zu sein, der eigene Entscheidungen fällen kann und sich nicht permanent an den Wünschen und Vorstellungen der narzisstischen Person orientieren muss (Wardetzki, 2015, S. 33).


Verborgener oder weiblicher Narzissmus: Der weibliche Narzissmus unterscheidet sich nicht in allen Punkten von einem männlichen Narzissmus (Wardetzki, 2015, S. 47). Auch die weibliche Narzisstin wirkt oberflächlich «selbstbewusst, lässig, cool, überlegen und unabhängig» (ebd.). Sie sind gute Verführerinnen und können Männer wie Frauen um den Finger wickeln (ebd.). Dies hängt damit zusammen, dass sie gelernt haben, sich nach aussen zu orientieren, Wünsche und Erwartungen anderer schnell wahrzunehmen und sich darauf einstellen zu können (Wardetzki, 2015, S. 47). Frauen erhoffen sich, durch Anpassung die Anerkennung zu erhalten und reagieren mit einem überangepassten Verhalten bis hin zur Aufgabe der eigenen Identität (ebd.). Dennoch sind auch sie nicht wirklich anpassungsfähig (ebd.). Es ist die Sicherheit, die sie suchen und dass sie nicht allein sind (ebd.). Wie Wardetzki (2015) weiter beschreibt, «kann die weibliche Form dem depressiven Pol und die männliche dem grandiosen zugeordnet werden» (S. 48), wobei Wardetzki (2015) auch darauf verweist, dass dahinter jeweils auch der andere Pol verborgen liegt (S. 48).




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